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Barrierefreie Mobilität made in Schorndorf

Das Magazin „MOMENTE“ der Tank & Rast Gruppe berichtet:

Blockierte Behindertenparkplätze, defekte Aufzüge oder fehlende barrierefreie Zugänge – Menschen mit Mobilitätseinschränkungen haben es in Deutschland auch heute noch schwer. Zwar findet das Thema Inklusion auch hierzulande immer mehr Beachtung, doch es gibt noch viel zu tun.

In Sachen barrierefreie Mobilität setzt die Firma FeLiTEC aus Schorndorf bei Stuttgart ein Ausrufezeichen. FeLiTEC schafft Fahrzeugtechnik, die alle Menschen bewegt – alles made in Germany. Wir haben einen Blick hinter die Kulissen geworfen und zeigen, was heute in diesem Bereich bereits alles möglich ist.
Es ist unbestritten, dass Mobilität ein grundlegender Aspekt unseres täglichen Lebens ist. Sie ermöglicht es uns, zur Arbeit zu kommen, soziale Kontakte zu pflegen, Einkäufe zu erledigen und ganz allgemein ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Was für viele selbstverständlich ist, ist für Menschen mit Behinderungen jedoch eine besondere Herausforderung. Nicht nur bei der Nutzung von Bus und Bahn, sondern auch beim eigenen Auto. Glücklicherweise machen technologische Fortschritte und Innovationen in der Fahrzeugtechnik es möglich, Autos mittlerweile so umzubauen, dass sie den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen gerecht werden. Das Ergebnis: Menschen mit Behinderungen verfügen dank der Technik über ein höheres Maß an Freiheit und Unabhängigkeit.
Aber es gibt Licht und Schatten. So gibt es beispielsweise keine „Einheitslösung“ für Fahrzeugumbauten. Jede Person hat individuelle Bedürfnisse und Anforderungen an das Fahrzeug, daher muss jeder Umbau sorgfältig geplant und durchgeführt werden. Ohne die Beratung durch Spezialisten, die Erfahrung mit Fahrzeuganpassungen für Menschen mit Behinderungen haben, geht es nicht. Denn nur diese Spezialisten stellen sicher, dass alle notwendigen Änderungen vorgenommen werden, um ein sicheres und komfortables Fahrerlebnis zu gewährleisten.
Solche Spezialisten finden sich beispielsweise im Hause FeLiTEC. Das 1996 von Felix Liehr gegründete Unternehmen mit Sitz in der Gottlieb-Daimler-Stadt Schorndorf hat in seiner nunmehr fast 30-jährigen Erfolgsgeschichte schon viel bewegt. Und das ist durchaus auch bildlich zu sehen, denn die Zahl der Kunden – allesamt Menschen mit Behinderungen – geht in die Tausende. Gleichzeitig haben die Schorndorfer auch auf technologischem Gebiet viel geleistet.
Rund 15 Mitarbeitende sind bei FeLiTEC damit beschäftigt, Autos für mobilitätseingeschränkte Menschen nach deren Wünschen und Bedürfnissen umzubauen. Das Produktportfolio reicht von Fahr- und Einstiegshilfen über Rollstuhlverladesysteme, bis hin zu Schwenk- und Drehsitzen. Qualität und Kundenzufriedenheit stehen bei FeLiTEC an erster Stelle. Kein Wunder, dass der gute Ruf weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt ist.

Persönliche Erfahrungen helfen im Berufsalltag

Einer, der FeLiTEC mit seiner Kompetenz seit Jahren begleitet, ist Oliver Raach. Er ist Deutschlands erster öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Kfz-Versorgung Körperbehinderter – und hat selbst eine bewegende Geschichte. Als er im Alter von zehn Jahren den Unfall seines Onkels miterlebt, der seitdem vom Hals abwärts gelähmt ist und im Rollstuhl sitzt, ist das für ihn ein einschneidender Moment. Seitdem sieht Oliver Raach die Welt mit anderen Augen. Aber nicht nur wegen des Unfalls seines Onkels. Jahre später verunglückte er selbst und lag einige Zeit im Koma. Dann begann die Stunde Null. Oliver Raach musste alles neu lernen – sprechen, laufen, sich erinnern. Er saß im Rollstuhl, kämpfte sich aber mit eigener Kraft und Willensstärke ins Leben zurück. Mit Erfolg! Heute kann er wieder selbstbestimmt leben. Seine selbst gesammelten Erfahrungen helfen ihm in seinem Berufsalltag, auf die Bedürfnisse von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen einzugehen. „Ich lebe meinen Job von ganzem Herzen. Mein persönliches Ziel ist es, Menschen mit Behinderung zu helfen“, erklärt Oliver Raach.
Dieses beeindruckende Engagement wissen auch die Kunden von FeLiTEC zu schätzen. Einer von ihnen ist Benjamin Rudiger. Der ehemalige Mountainbike-Profi ist seit einem Trainingsunfall mit dem Fahrrad von der Brust abwärts gelähmt und sitzt seither im Rollstuhl. „Ich habe mich bewusst für FeLiTEC entschieden, weil sie etwas kleiner und individueller sind als andere Anbieter und einfach auf jeden Wunsch eingehen“, so Benjamin Rudiger. Der Kontakt zu FeLiTEC entstand bereits während der Reha. Dort lernen mobilitätseingeschränkte Menschen nach ihrem Unfall die verschiedenen Möglichkeiten des Autofahrens kennen. Da Benjamin Rudiger seine Arme und Hände noch voll einsetzen kann, kommt bei ihm die Handgas-Variante zum Einsatz. Bedeutet: Er kann mit dem Hebel sowohl Gas geben als auch bremsen. Zudem wurde in seinem Automatik-VW-Bus ein Rollstuhllift integriert. Dieser befindet sich unter der seitlichen Schiebetür auf der Beifahrerseite. Über diesen Lift wird der 39-Jährige mit seinem Rollstuhl in das Fahrzeug gehoben. Sein Fahrersitz lässt sich so weit nach hinten schieben, dass er sich vom Rollstuhl direkt in den Sitz heben kann. Doch einfach losfahren war nicht. Insgesamt fünf Fahrstunden musste Benjamin Rudiger mit der Handgas-Variante absolvieren, um das Fahrzeug allein steuern zu dürfen. Seitdem kommt er mit seinem umgebauten VW-Bus überall hin. Und sein Handbike hat auch noch Platz. Dank FeLiTEC. „Ich bin komplett mobil und kann ganz normal am Straßenverkehr teilnehmen“, freut sich Benjamin Rudiger.
Dass so ein Umbau nicht von heute auf morgen fertig ist, ist klar. Je nach Ausstattung und Aufwand schrauben die Experten bei FeLiTEC von ein paar Tagen bis zu einem halben Jahr an dem Gefährt. Denn neben der kompletten Elektronik, die aus-, um- und wieder eingebaut werden muss, ist viel Handarbeit und Fingerspitzengefühl notwendig, um das Auto zum individuellen Maßanzug auf vier Rädern umzubauen.

Der Prozess ist vor allem eines: gründlich

Am Anfang steht das Gespräch mit dem Kunden. Für Oliver Raach der wichtigste Teil des Prozesses. Hier geht es darum, den Kunden und seine körperliche Verfassung kennenzulernen. Da sich jedes Krankheitsbild anders auswirkt, wird bei jedem Neukunden zu Beginn eine Kraftmessung sowie eine detaillierte Analyse der Bewegungsabläufe durchgeführt. Nur so lässt sich das individuell beste Ergebnis erzielen. Außerdem können die Kunden alle technischen Möglichkeiten vor Ort ausprobieren. Oliver Raach hat mit seiner äußerst kompetenten Beratungsqualität bereits unzähligen Menschen beruflich und ehrenamtlich zu einer besseren Lebensqualität verholfen und und als Mutmacher, Experte und Helfer für Menschen in Not zahlreiche Auszeichnungen erhalten.
Neben der Analyse, die in der Regel ein bis zwei Tage dauert, unterbreitet FeLiTEC dem Kunden ein auf den Grad der Behinderung zugeschnittenes Angebot. Eines ist jedenfalls sicher: Geht nicht – gibt’s nicht bei FeLiTEC. „Wir können für jeden etwas schnüren“, sagt Oliver Raach. Das betrifft die Primärfunktionen wie Gas, Bremse und Lenkung als auch die Sekundärfunktionen wie wie Blinker, Hupe, Licht, Fensterheber etc. Zum Glück ist die Technik hier schon sehr weit – Alexa und Siri lassen grüßen. Durch Sprachsteuerung reagiert das Fahrzeug auf Sätze wie „Blinker rechts“, „Blinker links“, „Licht an“ oder „Licht aus“. Auch Grundfunktionen lassen sich heute schon per Sprache steuern. Aber hier bremst die aktuelle Gesetzeslage die Technik im Moment noch aus.

Bürokratie-Dschungel

Liegt ein Angebot auf dem Tisch, wird es meist recht bürokratisch – zumindest für den Kunden. Ganz vorne steht die Frage: Wer übernimmt die Kosten? Denn je nach Unfallhergang und Versicherung gibt es laut Kraftfahrzeughilfeverordnung mehrere Kostenträger. Aber auch hier unterstützt FeLiTEC in Person von Oliver Raach. „Das ist ein richtiger Bürokratie-Dschungel. Ich kämpfe schon lange dafür, dass das alles vereinfacht wird.“
In der Zwischenzeit beginnen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Schorndorf mit dem Umbau des Fahrzeugs. Alles läuft sehr akribisch und gewissenhaft ab. Für Fehler gibt es keinen Spielraum. In regelmäßigen Abständen werden die Kunden kurz über den aktuellen Stand informiert. Sobald das Fahrzeug fertig ist, können die Kunden es abholen – vorausgesetzt die nötige Fahrerlaubnis liegt vor. Bei einer gemeinsamen Probefahrt wird die Technik noch einmal vorgeführt. Danach geht es hinaus in die weite Welt.
Mit der Auslieferung reißt der Kontakt zu FeLiTEC allerdings nicht ab. So können – wie bei jedem anderen Fahrzeug ebenfalls – Anpassungsarbeiten notwendig sein. Diese werden dann in Schorndorf innerhalb kürzester Zeit behoben. „Ich war erst letzte Woche wieder in Schorndorf mit meinem Auto. Die Mitarbeiter sind sehr bemüht, das Fahrzeug so schnell wie möglich zu reparieren. Das ist wirklich ein Top-Service“, lobt Benjamin Rudiger.

Weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt

Der gute Ruf von FeLiTEC hat das Unternehmen auch im Ausland bekannt gemacht. Mittlerweile liefern die Schwaben in 26 Länder. Die wohl spektakulärsten Aufträge kommen aus den Arabischen Emiraten. Ein Beispiel: Ein reicher Scheich hat sich einen großen Daimler umbauen lassen. Auf Wunsch des Besitzers hat FeLiTEC an allen vier Einstiegsseiten weiße Schwenksitze eingebaut. Diese fahren beim Öffnen der Türen aus, der Kunde steigt ein und wird dann in dem von ihm gewünschten Schwenkgrad in die richtige Sitzposition im Auto manövriert.

Wohin geht die Reise?

Doch was bringt die Zukunft eigentlich? In Schorndorf wird ständig getüftelt und experimentiert. Zuletzt hat FeLiTEC mit dem von Geschäftsführer Felix Liehr neu entwickelten Verladesystem eLiVe ein weiteres Ausrufezeichen gesetzt. Das intelligente System funktioniert so: Per Knopfdruck wird der Rollstuhl mit einer individuell programmierten Verladekurve ins Auto verladen. So passen auch größere Rollstühle in kleinere Fahrzeugöffnungen. Eine Besonderheit stellt zudem die automatische Erkennung jedes Rollstuhls dar. Für diese clevere Lösung, die Rollstuhlfahrenden das Leben deutlich erleichtert, erhielt das Unternehmen den Baden-Württembergischen Landes-Innovationspreis.
„Mittelfristig“, so Oliver Raach, „wird sich die E-Mobilität durchsetzen. FeLiTEC hat bereits schon mehrere E-Umbauten erfolgreich modifiziert. Er lächelt: „Die Umbaumaßnahmen sind anders und aufwendiger. Aber auch das wird sich einpendeln“, ist sich Oliver Raach sicher.

Jeder kann seinen Beitrag leisten

FeLiTEC schafft es, dass Menschen in ihrem Alltag weiterhin mobil sein können. Aber es gibt noch viele Herausforderungen. Zum Beispiel das Thema „blockierte Behindertenparkplätze“. Hier sind alle aufgefordert, ihren Beitrag zu leisten. Denn für die Betroffenen kommt es nicht darauf an, zentral am Eingang einen Parkplatz zu bekommen. Entscheidend ist die Größe. „Auf einem normalen Parkplatz habe ich keine Chance, meinen Rollstuhl aus dem Auto zu laden. Dafür sind die viel zu schmal“, erklärt Benjamin Rudiger. Selbst wenn jemand sein Auto nur „kurz“ dort abstellt, ist das für die Menschen, die auf einen solchen Platz dringend angewiesen sind, ein großes Problem. Benjamin Rudiger ist schon das ein oder andere Mal verbal mit einer Person, die auf seinem Parkplatz stand, aneinandergeraten. Mittlerweile hat er aber immer eine Karte mit dem passenden Spruch dabei: „Sie haben meinen Parkplatz. Wollen Sie auch meine Behinderung?“. An Ladesäulen im Netz von Tank & Rast hat er das Problem mit zu schmalen Parklücken übrigens dann nicht – alle Ladesäulen entlang der Autobahn sind so ausgelegt, dass Menschen mit Behinderung problemlos zum Laden aussteigen können. Auch dann, wenn auf dem Platz nebenan jemand anderes lädt.
In einer sich rasant entwickelnden Welt, in der Mobilität eine zentrale Rolle spielt, ist es wichtig, dass niemand zurückgelassen wird. Behindertengerechte Fahrzeugumbauten sind nicht nur ein Zeichen des technologischen Fortschritts, sondern auch ein Spiegelbild unserer Gesellschaft und unserer Werte. Sie unterstreichen die Bedeutung von Inklusion und Gleichberechtigung, indem sie sicherstellen, dass alle Menschen unabhängig von ihren körperlichen Einschränkungen die Freiheit haben, sich selbstständig fortzubewegen. Dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer gerechteren und integrativeren Welt, in der die Barrieren, mit denen viele Menschen tagtäglich konfrontiert sind, abgebaut werden. Es ist eine Aufforderung an uns alle, über den Tellerrand hinauszuschauen und aktiv an einer Welt mitzuarbeiten, die für alle zugänglich ist.